Ein koreanisches Restaurant am Erfurter Domplatz, in dem im Winter Biathlonrennen im Fernsehen laufen. Das ist die neue Welt von Jörn Wollschläger. Gemeinsam mit seiner Frau Nami Wollschläger-Kim ist er seit 2019 Besitzer des „Wollkim“. Dafür hat er seine Trainertätigkeit in der Schweiz aufgegeben. Im Herzen ist er trotzdem weiterhin mit Biathlon verbunden.
Jörn Wollschläger ist kein Chef, der sich zurücklehnt. Der 43-Jährige hat im seinem Restaurant „Wollkim“ erst als Tellerwäscher gearbeitet, mittlerweile unterstützt er seine Frau Nami Wollschläger-Kim als Koch in der Küche. Die koreanischen Gerichte, die aus dem Familienkochbuch seiner Frau stammen, bereitet er aus dem Kopf zu. Die Routine macht es möglich. Täglich steht das Ehepaar im Restaurant und erfüllt die Wünsche der Gäste. Auf der Speisekarte stehen Zazangmeon, Origogi oder Dakbokum. Die Idee für ein eigenes Restaurant mit seiner Frau startete einfach. „Nami kocht gern und ich esse gern. Das war unser Businessplan am Anfang“, sagt der 43-Jährige mit einem Lächeln auf den Lippen. Das Konzept der koreanischen Gastlichkeit kommt bei den Gästen gut an. Erik Lesser, Peter Sendel oder Serafin Wiestner sind Stammgäste am Domplatz. „Unser Restaurant läuft gut. Wir haben alle Hände voll zu tun“, sagt Jörn Wollschläger. Freie Tage sind für ihn zur Seltenheit geworden. Gerade während des Lockdowns in der Corona-Pandemie arbeitete das Team des Wollkims unter Hochdruck, um alle Essensbestellungen abzuarbeiten. Die angespannte Personalsituation im Gastgewerbe stellte auch die Wollschlägers vor Herausforderungen. „Ich denke, es ist wie überall in der Gastronomie. Es ist schwierig, gutes Personal zu finden. Wir haben ein tolles Team, müssen aber selbst mit anpacken. Zeit für Urlaub bleibt da nicht.“ Wenn Jörn und Nami doch mal einen Tag frei haben, schlafen sie aus, entspannen sie sich in einem Café oder spielen Golf.
Schwere Entscheidung
Als sich das Ehepaar vor zwei Jahren den Traum vom eigenen Restaurant erfüllte, hat Jörn Wollschläger nicht damit gerechnet, seinen Job als Trainer der Männernationalmannschaft der Schweiz aufzugeben. Die Doppelbelastung brachte ihn jedoch an seine Grenzen. „Wenn ich mit dem Team unterwegs war, dachte ich immer an meine Frau in Erfurt und an das Restaurant. Ich habe die Getränkebestellungen abends im Hotelzimmer gemacht. Das funktioniert auf Dauer einfach nicht. Es ist unmöglich in beiden Bereichen 100 Prozent zu geben. Trainer und Restaurantbesitzer in einer Person geht nicht.“ Nach der Saison 2019/2020 beendete der Thüringer seine Anstellung als Trainer in der Schweiz. Im Nachhinein war es aus seiner Sicht die richtige Entscheidung. „Ich bin froh gewesen, dass ich die vergangene Saison mit Masken, Corona-Tests und Kontaktbeschränkungen nicht vor Ort miterlebt habe.“ Auch wenn er nicht mehr am Schießstand steht, hat er regelmäßig Kontakt zu seinen ehemaligen Schützlingen. Wenn die Schweizer in Oberhof trainieren, fährt Jörn Wollschläger zum Biathlonstadion oder lädt das Team zum koreanischen Barbecue ein. Besonders eng ist seine Verbindung zu Benjamin Weger. „Ich habe ihn schon seit seinem ersten Jahr bei den Senioren betreut. Wir haben viel erlebt. Das schweißt zusammen.“ Für Jörn Wollschläger ist der 31-Jährige wie ein Sohn.
Zukunft offen
„Wenn ich nachmittags Biathlon schaue und selbst nicht dabei bin, ist das schon ein komisches Gefühl“, sagt Jörn Wollschläger. Seine Karriere als aktiver Biathlet beendete er 2008 nach 15 Jahren Leistungssport und vier Europameistertiteln. Nach dem Studium an der Trainerakademie in Köln wurde er 2011 Assistenztrainer von Steffen Hauswald in der Schweiz. Zwei Jahre später übernahm er als Cheftrainer die komplette Verantwortung. Sein Höhepunkt in neun Jahren Trainerzeit waren die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang. Benjamin Weger erreichte mit Platz Sechs in Einzel und in der Verfolgung zwei Top-Ten-Ergebnisse. Gern erinnert er sich auch an die Weltmeisterschaft von Antholz 2020 zurück. Eine neue Erfahrung war für ihn ein gemeinsames Nachwuchsprojekt mit Sven Fischer, bei dem sie die Biathleten von morgen formten. „Die jungen Athleten sind dankbar für jeden Tipp und versuchen alles aufzusaugen.“ Pläne für die Zukunft hat Jörn Wollschläger noch nicht. „Ich kann nicht vom Biathlon lassen. Ich bin zwar im Restaurant aber mein Herz schlägt für Biathlon. Vielleicht ergibt sich in den nächsten Jahren wieder eine neue Herausforderung und wir haben das Restaurant so weit etabliert, dass unser Team es auch ohne uns schafft.“ Für die nächste Saison schließt Jörn Wollschläger ein Engagement zum jetzigen Zeitpunkt noch aus. Die Leidenschaft für Biathlon ist trotzdem ungebrochen.